Lagebild Antisemitismus 2016/2017

29.08.2017

In der deutschen Gesellschaft kann keine Gruppierung behaupten, sie wäre gänzlich frei von Antisemitismen. Das zu verstehen und anzuerkennen ist ein erster Schritt zur Prävention und der Grund, dieses Lagebild der Öffentlichkeit vorzustellen. Eine Publikation der Amadeu Antonio Stiftung.

Lagebild AntisemitismusAntisemitismus hat eine lange Geschichte und gehört bis heute zu den größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Der Hass auf Juden, die Ablehnung des Jüdischen, wo immer es auftaucht, ist sehr weit verbreitet. Und während unmittelbar und direkt ausgesprochener Hass auf jüdische Personen noch zu Entsetzen und Widerspruch führt, provoziert die indirekte, über Umwege geleitete Form der Ablehnung – selbst wenn sie ebenso hasserfüllt ist – meist keine Reaktionen.

In allen Gesellschaftsschichten, allen Bildungsgruppen, allen politischen Richtungen finden wir heute den Antise-mitismus wieder, denn er bietet Projektionsflächen für alle. Ob rechts oder links oder in der Mitte, ob biodeutsch oder eingewandert, jeder kann sich aus dem reichen Arsenal an-tisemitischer Klischees bedienen. Die Motive dafür mögen verschieden sein, das Ergebnis aber ähnelt sich. Ob eine jüdische Verschwörung angenommen wird, weil dauernd auf dem Mangel an Menschenrechten herumgeritten wird, wie Victor Orban argwöhnt, oder weil die Welt vom Kapita-lismus des jüdischen Finanzkapitals geknechtet wird, wie es internationalistische Linke und nationalrevolutionäre Rechte vermuten, ist fast Nebensache. Für viele Muslime sind Juden der Inbegriff des Bösen und Israel der Teufel, für völkisch denkende Rechte sind Juden der Schrecken jeder Heimatverbundenheit, weil ihr Kosmopolitismus die »Reinheit« des Volkes zugrunde richtet. Dem jüdischen Kollektiv wird jeweils das unterstellt, was die Unbill des Lebens an zu viel Komplexität hervorbringt. Antisemitismus ist ein Instrument derjenigen, die sich dieser Komplexität nicht stellen und dafür lieber einen Sündenbock vorzeigen wollen.

Dieses Lagebild beschreibt die verschiedenen Quellen und Milieus des heutigen Antisemitismus. Dabei stützt es sich auf Berichte und Erfahrungswerte besonders derjenigen, die von ihm betroffen sind – der Juden und Jüdinnen in Deutschland. Sie sind täglich mit groben oder subtilen Anfeindungen konfrontiert, mit Gewalt und Drohungen. Sie erleben immer wieder, wie ihre kulturelle und historische Differenz ignoriert oder Gegenstand von Verachtung wird. Sie werden in Situationen gebracht, in denen ihr Jüdischsein zu einem ernsten Problem wird. Sie sind deshalb häufig gezwungen, dieses Jüdischsein in der Öffentlichkeit zu verbergen. Juden leben in einer Gesellschaft, in der sie permanent mit antisemitischem Hass und Vorurteil konfrontiert sind. Ob nun arabische Einwanderer auf Demos den Juden lauthals den Tod wünschen oder bürgerliche Deutsche meinen, in Israel verhielten sich die Juden auch nicht anders als einst die Deutschen im Nationalsozialismus – für jüdische Menschen bedeutet jedes Mal, wenn sie derartiges hören oder direkt in diesem Sinne angesprochen werden, sich zutiefst abgelehnt zu fühlen.

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Tel.: 24 08 86 10
E-Mail: nfmd-ntn-stftngd
Web: www.amadeu-antonio-stiftung.de

 
 

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Obentrautstraße 55 | 10963 Berlin
Tel: 030 - 284 70 19 10

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