So hat Berlin bei der Bundestagswahl 2013 abgestimmt

23.09.2013

Ein spannender Wahlabend liegt hinter uns. Eine Woche nach der U18-Wahl werfen wir einen Blick auf das Wahlergebnis der Bundestagswahl, schauen auf die Berliner Wahlbezirke und analysieren wer in Berlin gewonnen oder verloren hat. Wie in ganz Deutschland auch können sich die CDU und die SPD über Gewinne freuen, die AfD kratzt an der 5%-Hürde, die "kleinen" Parteien verlieren allesamt.

Seit Wochen hat sie uns und Millionen Interessierte in Atem gehalten: Nachdem sich viele Stimmen über einen weitgehend langweiligen Wahlkampf beklagt hatten, wurde die Bundestagswahl noch richtig spannend. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde mit großen Stimmgewinnen ihrer Partei (41,5%) im Amt bestätigt und doch wird die Bundesregierung demnächst anders aussehen: Der bisherige Koalitionspartner FDP hat den Einzug in den Bundestag nicht geschafft (4,8%). Dazu hätte die Partei mindestens 5% der Zweitstimmen oder 3 Direktmandate gewinnen müssen.

Die Oppositionsparteien hätten zwar zusammengenommen eine Mehrheit im Parlament, aber weil die SPD-Spitze eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Deutschen Bundestag ablehnt, gibt es keine Chance, Angela Merkel gefährlich zu werden. Zwar konnte die SPD nach ihrem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten bei der letzten Bundestagswahl 2009 etwas aufholen (25,7%). Aber auch der mögliche Koalitionspartner der Sozialdemokraten, Bündnis '90/Die Grünen, landete hart und konnte weniger Wählerinnen und Wähler als noch vor vier Jahren überzeugen. Auch Die LINKE musste Stimmenverluste hinnehmen. Alle Zahlen können übrigens einer Tabelle auf bundeswahlleiter.de entnommen werden.

Dramatisch ist der Stimmengewinn für die erst vor wenigen Monaten neu gegründete Partei "Alternative für Deutschland", kurz: AfD. Die euro-skeptische und von einigen als rechtspopulistisch eingestufte Partei scheiterte mit 4,7% nur knapp am Einzug ins Parlament. Dennoch feierte die Partei, schließlich warb sie innerhalb kurzer Zeit mehr als zwei Millionen Zweitstimmen ein. Der Umgang mit der AfD wird in den nächsten Monaten einen sehr genauen Blick auf ihr Programm und ihr Auftreten erfordern. Schließlich ist die Ablehnung des Euros eine legitime Position - ob diese klug ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber die AfD wäre nicht die erste Partei, die Demokratie und Liberalismus betonen, in deren Fahrwasser sich aber Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit breitmachen.

Grafik: Vorläufiges amtliches Endergebnis der Bundestagswahl 2013

Ein genauer Blick auf Berlin

Zwar ist ergibt der Vergleich von Wahlergebnissen zum Abgeordnetenhaus 2011 und zum Bundestag wenig Sinn, denn erfahrungsgemäß hängen die Wahlentscheidungen von unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der Wählerinnen und Wähler ab. Ein Blick auf das Berliner Wahlergebnis ist trotzdem aufschlussreich. Auf das Wahllokal genau hat die Berliner Morgenpost die Wahl auf www.berlinwahlkarte2013.morgenpost.de aufgeschlüsselt.

Twitter: @annalist zur Erststimmenverteilung in Berlin

So ist die Stadt nach wie vor annähernd zweigeteilt, wenn es um die Vergabe der Erststimme geht. In den östlichen Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Treptow-Köpenick konnten erwartungsgemäß die KandidatInnen der Linkspartei die Direktmandate gewinnen. Das Direktmandat in einem Wahlkreis erhält die Kandidatin oder der Kandidat, die/der die meisten Erststimmen auf sich vereinen kann. Besonders knapp war das Ergebnis im Wahlkreis 82 in Neukölln. Dort konnte sich Fritz Felgentreu (SPD) mit 32,3% gegen Christina Schwarzer (CDU, 30,6%) durchsetzen. Das zweite Direktmandat für die SPD gewann Eva Högl in Mitte (Wahlkreis 75). In Friedrichshain-Kreuzberg konnte Hans-Christian Ströbele zum dritten Mal das einzige Direktmandat für Bündnis '90/Die Grünen erringen. In den fünf weiteren Wahlkreisen setzten sich die KandidatInnen der CDU durch.

Auch nach Zweitstimmen geht die CDU in den Berliner Wahlkreisen als Wahlsiegerin hervor. Anders als im gesamten Bundesgebiet erreichten Die LINKE und Bündnis '90/Die Grünen in Berlin deutlich zweistellige Werte. Während die FDP in Berlin deutlich unter 5% ins Ziel einlief, kamen auch die im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Piraten nicht über 3,6% hinaus. Die Landeswahlleiterin hat die Erst- und Zweitstimmenergebnisse aus den Berliner Wahlkreisen an dieser Stelle anschaulich aufbereitet. Wer jedoch Details zu den Ergebnissen der AfD sowie der weiteren kleinen Parteien sucht, wird in dieser Tabelle fündig. Daraus geht hervor, dass die AfD in Reinickendorf (WK 77), Spandau (WK 78), Steglitz-Zehlendorf (WK 79), Treptow-Köpenick (WK 84), Marzahn-Hellersdorf (WK 85) und Lichtenberg (WK 86) mehr als 5,0 % der Zweitstimmen erreichte - das ist die Hälfte aller Berliner Wahlkreise und unterstreicht einmal mehr, dass wir uns genauer mit dieser Partei befassen müssen!

Erfreulicherweise entfielen auf die NPD in allen Wahlkreisen deutlich unter 5 Prozent. In einzelnen Wahllokalen sieht die Zustimmung für die fremdenfeindliche und rechtsextreme Partei freilich leider anders aus: Das Wahllokal in der Nähe des neu eingerichteten Heims für AnsylbewerberInnen in Hellersdorf verzeichnete über 10 Prozent für die NPD, wie Tagesspiegel online berichtet.

Ein Wahlergebnis - und wie viele Konsequenzen?

Zum aktuellen Zeitpunkt wissen wir, dass der nächste Deutsche Bundestag aus vier Fraktionen bestehen wird und sehr wahrscheinlich Angela Merkel weiterhin Kanzlerin bleibt. Darüber hinaus können nur Mutmaßungen darüber angestellt werden, welche Koalition die nächste Regierung stellen wird.

Was wir jedoch mit Gewissheit sagen können, ist, dass die Stimmen vieler Wählerinnen und Wähler nicht im Bundestag vertreten sein werden. Dies können wir zum Einen als Bestätigung dafür verstehen, dass politisches und gesellschaftliches Engagement auf allen anderen Ebenen umso nötiger ist, weil sie im Alltag und in unserem Umfeld sehr viel bewegen, die Hürden auf dem weg ins Parlament für kleine Initiativen und politische Bewegungen jedoch - mit Recht - relativ hoch sind. Die Einführung der Fünfprozenthürde hatte zum Ziel, eine Zersplitterung des Parlaments und unsichere Mehrheiten zu vermeiden. Diese Aufgabe erfüllt diese Hürde. Im Sinne demokratischer Mitbestimmung durch Wahlen muss aber erlaubt sein, darüber zu diskutieren, ob es richtig ist, wenn ca. 7 Millionen abgegebene Zweitstimmen keine Entsprechung im Deutschen Bundestag finden. Das sind immerhin über 15% aller abgegeben Stimmen. Diese hohe Zahl ergibt sich durch das knappe Scheitern der FDP und der AfD.

Bei der Diskussion gilt es, die eigenen Argumente präzise und ausgewogen zu formulieren. Schließlich machen sich auch zahlreiche PopulistInnen von Rechts die Forderung nach mehr Volksabstimmungen und somit einem vermeintlichen Mehr an Demokratie zu eigen. Ferner werden die kommenden Europawahlen, zahlreiche Kommunalwahlen und die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Jahr 2014 zeigen, ob und wie sich die Alternative für Deutschland als Partei etablieren kann. Um zu beurteilen, ob die Partei als Hort konstruktiver Euro-Kritiker, als Rechtspopulisten oder als klassische Protestpartei auftreten wird, müssen wir uns als DemokratInnen mit ihrem Auftreten beschäftigen, ob wir ihre Positionen teilen oder nicht. 

UPDATE: Die MBR Berlin hat eine detaillierte Analyse zum Abschneiden der Parteien im Spektrum rechts der Mitte erstellt. Ihr findet sie hier auf der Website des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin (21.11.13).

Text: Frank Segert / stark-gemacht.de / CC-BY-SA
Datengrundlage für Grafiken auf Berlin bezogen: wahlen-berlin.de (23.09.13; 12:00 Uhr)
Datengrundlage für Grafiken auf Bund bezogen: bundeswahlleiter.de (23.09.13; 12:00 Uhr)

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