20.11.2013
IJAB führt seit 2012 das Projekt „ePartizipation: Internationaler und nationaler Erfahrungsaustausch sowie Modellentwicklung für mehr Jugendbeteiligung in der digitalen Gesellschaft“ durch – besser bekannt unter dem Namen youthpart. Das europäische Partner-Netzwerk lud vom 18. bis 20. Oktober 70 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 24 Jahren aus sechs Ländern zum ersten Internationalen JugendBarCamp nach Wien ein. Wir waren dabei.
Es braucht ein bisschen, bis sich die Gruppen aus den teilnehmenden Ländern mischen. Die jungen Leute aus Österreich bilden die größte Delegation, zahlreiche Teilnehmende kommen aus Deutschland, Großbritannien, Spanien und Finnland. Wir befinden uns im Institut für Freizeitpädagogik in Wien. Die Gastgeber_innen von wienXtra haben alles vorbereitet und wuseln fleißig zwischen den Teilnehmenden umher, als auf einmal eine Sirene ertönt. Kein Feueralarm, sondern das Megafon, das den Auftakt einläutet: BarCamp-typisch beginnt das Event mit einer Vorstellungsrunde und drei Hashtags, mit denen sich die Teilnehmenden selbst beschreiben.
Für viele hier ist es das erste Mal auf einem BarCamp, auch wenn dieses Konferenz-Format insbesondere in Österreich und Deutschland in den letzten Jahren schon weite Kreise gezogen hat. Das DFJW und deutsch-polnische Träger haben sich bilaterale BarCamps veranstaltet, aber zum ersten Mal kommen Jugendliche aus ganz Europa auf einer gemeinsamen „Un-Conference“ zusammen. Das Veranstaltungsformat entstand als Gegenentwurf zum klassischen Konferenzformat mit wenigen Expertinnen und einem schweigenden Publikum. Das BarCamp begreift alle Teilnehmenden als ExpertInnen mit individuellen Spezialgebieten und fordert sie alle auf, Konferenz-Inhalte in Form einer eigenen Session beizutragen. Den Schwerpunkt der dreitägigen Veranstaltung wird der zweite Tag einnehmen, an dem klassischerweise die Sessions am Morgen geplant und im Laufe des Tages durchgeführt werden.
Der thematische Rahmen freilich ist bei einem BarCamp vorgegeben. In Wien sprechen die Teilnehmenden über Elemente der EU-Jugendstrategie, das heißt, es geht um Jugendbeteiligung und politische Partizipation auf kommunaler, nationaler und nicht zuletzt europäischer Ebene. Die Partner_innen von youthpart haben während der Projektlaufzeit Entwürfe für einheitliche Guidelines für gelingende ePartizipation erstellt, die hier nicht nur besprochen, sondern gewissermaßen auch getestet werden sollen (englische Version).
Der fertige Sessionplan holt freilich weiter aus, reicht von Grundsatzfragen wie Vorzügen und Nachteilen direkter Demokratie über Einzelprojekte, die zur Europawahl 2014 aufrufen und diverse Ideenfindungsprozesse bis hin zu “alten Bekannten” wie Open Data. Die wenigsten hier haben schon einmal an einem BarCamp teilgenommen, umso beachtlicher ist die Vielfalt der Ideen und der Mut der Sessiongeber_innen.
Glücklicherweise bietet der Sessionplan stichpunktartige Mitschriften in den Etherpads (verlinkt im Sessionplan). Hört man in den Sessions genau zu, scheint der Informationsaustausch für die Teilnehmenden an erster Stelle zu stehen. So stellen die Themen-Enthusiasten in der Open Data Session einander bestehende Projekte aus ihren Herkunftsländern vor. Lea aus Spanien spricht über das Projekt YVote2014, mit dem junge Menschen zur Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 auffordern. Die Session von Inga aus Finnland schließlich ist wahrscheinlich am besten besucht – Inga hatte angekündigt, nach einer Form politischen Engagements suchen zu wollen, ohne sich langfristig an Parteien oder ähnliches binden zu müssen. Der volle Raum zeigt: Alle wollen sich einsetzen. Für viele ist lediglich die Frage nach dem “Wie” eine ganz beträchtliche Hürde.
Auch der Jugend-Demokratiefonds Berlin lädt in einer Session zum Gedankenaustausch über Fördermöglichkeiten von und für Jugendliche, der in einem Gespräch darüber endet, wie junge Menschen am besten zu erreichen und für politische Partizipation zu motivieren sind. So kommt beispielsweise von einer Vertreterin aus Salzburg die Idee, Antragsteller_innen im Rahmen des Förderprogramms Workshops zu ermöglichen, die Input zu Projektmanagement und Finanzplanung beinhalten. Schließlich möchten wir Jugendliche gern direkt fördern und ihnen einige Tausend Euro Finanzvolumen zur Verfügung stellen. Damit geht eine nicht unerhebliche Verwaltungs-Aufgabe einher, von der sich niemand erschlagen fühlen soll.
Auch wenn Inga keine ultimative Antwort auf ihre Frage nach dem "Wie?" findet, gibt es doch einige positive Lehren zu ziehen aus diesem ersten internationalen Jugendbarcamp. Der erste ist vermeintlich einfache Punkt: Jugendbarcamps funktionieren, auch und gerade in internationalen Gruppen, weil die informellen und ständig neu zusammengewürfelten Arbeitsgruppen, die in den Sessions entstehen, ein hervorragendes Forum für Austausch bieten. Offensichtlich wird aber auch, dass es intensiver Vorbereitung bedarf. Die Online-Vorbereitungen waren umfangreich, aber nicht wenige Teilnehmende scheinen überlesen zu haben, dass man von ihnen erwartet, die Inhalte des BarCamps in den Sessions auszufüllen. Das wurde durch den Mut der spontanen Sessiongeber_innen und die Vorbereiteten aufgefangen, darf aber eigentlich nicht passieren.
Bei der Organisation einzuplanen sind außerdem verlässliche „Protokollierende“ in den Sessions – das ist kein „Problem“ jugendlicher Teilnehmender, sondern ein regelmäßiges Phänomen auf BarCamps. Wenn das Etherpad leer bleibt, haben die Teilnehmenden, die andere parallele Sessions gewählt haben und Interessierte, die es nicht zur Veranstaltungen schaffen, nichts davon. Das ist in Wien vorbildlich durch einige interessierte Studierende gelöst, welche die Diskussionen im Pad verewigen und hier und da helfend zur Seite stehen.
Ein weiterer Aspekt, der dem BarCamp mehr inhaltliche Tiefe hätte verleihen könnte, wäre die konsequente Einbindung der eingeladenen ExpertInnen. VertreterInnen der EU-Kommission, der Donau-Universität Krems, auch von youthpart selbst sind an allen drei Tagen anwesend. Denkbar wäre in einer Art Open Space nach der Kennenlernrunde alle Teilnehmenden und eben auch die Gäste zu bitten, Projekte, in die sie involviert sind, vorzustellen. So könnten auch spontane Session-Ideen noch entwickelt werden. Oder man löst es wie die Vertreterin von Liquid Democracy: Der Session- und Raumplan hat noch etwas Platz, als den Teilnehmenden keine weiteren Session-Ideen einfallen. Also bietet Eva Panek kurzerhand selbst eine Session zu Liquid Democracy an. Warum Expertise verschenken, die im Raum ist?
Bleibt noch die Frage, wie die Teilnehmenden mit den Guidelines für gelingende ePartizipation umgehen. Rhammel aus England diskutiert die Formulierungen mit zahlreichen Teilnehmenden. Es ist beileibe nicht so, als würde der vorliegende Entwurf, den das youthpart-Netzwerk vorgeschlagen hat, in dem vollen Raum einfach durchgewunken. Aber an vielen Stellen ist Zustimmung zu vernehmen. Die Arbeit muss also nur noch an den Details weitergehen. Spätestens beim youthpart-Abschluss im April in Berlin sollen die Guidelines vorgestellt werden. Schon jetzt wird klar, dass sie ein wertvolles Werkzeug für zukünftige ePartizipationsprojekte mit Jugendlichen darstellen werden. Abgucken und Nachmachen also dringend empfohlen!

Das YouthBarCamp Vienna ist neben dem Gesprächsforum für die Teilnehmenden selbst natürlich auch als ein Anstoß mit Signalwirkung gedacht. Das partizipative Konferenzformat ist bei den Teilnehmenden in guter Erinnerung geblieben, sodass BarCamps wie dieses, die nicht nur inhaltliche Arbeit, sondern eben auch internationalen Austausch fördern, in Zukunft hoffentlich auch in weiteren Kontexten und an anderen Orten geben wird. Youthpart hat als Hilfestellung den Leitfaden zur Durchführung von JugendBarCamps von Mediale Pfade und ikosom nun auch ins Englische übersetzt. Nicht zuletzt die Guidelines sind auch in der bereits vorliegenden Version hilfreich.
Beide Sprachversionen des Leitfadens zur Durchführung von JugendBarCamps sind als kostenlose Downloads verfügbar:
Außerdem gibt es den Entwurf der Guidelines für erfolgreiche ePartizipation Jugendlicher unter folgendem Link:
Weitere Links:
Text: Frank Segert / stark-gemacht.de / CC-BY-SA
Fotos: Christian Hermann / ijab.de / CC-BY-NC-ND
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